Chris   Mennel
KUNST

Schlagloch
Home ] Nach oben ] [ Schlagloch ] Originale ] Schubladen ] Essay ] Presse ] Kompass ] Expansion ] Kunst 2000 ] Weg ] Kunst 2015 ] Kunst 2016 ]

Kreative Sonne, biografische Schatten

Xylophon, Windeln, Chaos: Wir wussten, so konnten wir nicht ewig leben. Vier Jahre schafften wir es.
   

Ich bin ein Instinkt-Ästhet. Also wenn mich etwas anfliegt, und das kann ein Impuls aus beinahe jeder Richtung sein, sehe ich vor mir, wie dieser Impuls kreativ gestaltbar ist. Am tollsten und dauerhaftesten klappt das mit meiner pubertären Liebe, der Musik. Aber meine kreative Ader ist eben auch enorm in mir eigentlich fremde Themen übertragbar. Ich hatte schon Ideen zum Thema „Fußballspiel“.

Das Ereignis muss mich halt „anfliegen“. Das passiert nicht oft. Ich denke, im Durchschnitt dreimal im Jahr - mal gar nicht, ein andermal sind es fünf Momente des Jahres - sehe ich zu einem mir begegnenden Ereignis, wie dieses Ereignis weiter zu entwickeln ist, wie es groß sein kann, was seine Aussage ist.

Da ich ja nun mein ganzes bisheriges Leben hindurch von keinem Zeitrahmen her, von keinem Mitmenschen her und von keinem Geld her auch nur irgendwie aufgefordert bin, etwas anderes zu sein als ein geselliger Nachbar und ein unauffälliger regelmäßiger Dienstleister, bleibt es dann eine Frage der Selbstorganisation, ob ich meinen kreativen Dialog sättigend stattfinden lasse, kurz skizziere oder auch bewusst ignoriere: „Du hast keine Chance jetzt, lass es gut sein“.

Aus solchem Garnichts an Aufforderung meiner Mitwelt, kreativ zu sein, Garnichts an äußerem Antrieb und Motivation erklärt sich das breit gestreute Inselhafte meiner Kunstwerke: Was mich ansprang, war unvorhergeplant. Im einzelnen erscheint es zufällig, in der Summe glaube ich aber an eine gewisse Empirik.

Ob und wieviel ich einen künstlerischen Anflug landen ließ, hing von meiner unkünstlerischen alltäglichen Gesamtsituation ab. So gibt es viel virtuelle Welt, wenig Bühnenstücke, viele Phantaphotos, wenig Mosaikbilder, viele Aquarelle, wenig Skulpturen.

Bis etwa 1986 war ich der verkniffene Künstler, den solche Zeilen erwarten lassen, und ich bin froh darüber. Zornige Texte, depressive Grundhaltung, Feindschaft gegen Verwaltungskälte, Mediengetue, Werbegesäusel, Langzeitverträge - die Strecke meines versteckten Künstlerdaseins, die solche Haltung erzeugte, möchte ich nicht missen.

Immer schon hielt ich das Motto kitschiger Schlager dagegen, verwahre mich aber gegen deren Tralala: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Also meine schöne Freundin nach Studienende und später ein beharrlicher und von mir selbst nicht so erwarteter Erfolg im Geldverdienen außerhalb des Angestellendaseins ließen mich zur sonnenbeschienenen Seite derselben Straße wechseln, über die ich sage und sehe, dass sie fast nur aus Schlaglöchern besteht.