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Berufung? Beruf?

Ein Gedicht zur Berufsfindung, begonnen 13.11.1994 - da hatte ich etwa fünfzehn Monate zuvor überhaupt erst beschlossen, als "Künstler" nach außen zu treten.

Die vorliegende Fassung stammt vom 17.12.1997 und wurde korrigierend durchgesehen am 10.10.2009

Ich bin ein KUNSTER
ohne ü und l:
Ich will was können,
aber nichts künsteln,
in einem Sektor, der Kunst heißt.

Ich bin ein FREIER -
kein Kunst-Macher,
kein Kunst-Handwerker -
ein freier PROJEKTLEITER,
ein freier KUNSTERFINDER,
ein freier KULTURMENSCH,
ein KULTURIST -
kein Kultourist.

Meine liebste Berufsbezeichnung
war ja immer "LUFTSCHLOSSER",
aber da lächeln zuviele von oben herab
(dabei ragt nichts höher als ein Luftschloss).

Wie wäre es mit Absurdem?
SCHLUSSLOFTER?
SCHLOSSLÜFTER?

Bereits ausprobiert habe ich die Sachbezeichnungen
MEDIENHANDWERK
MEDIENKUNST
Das kommt auf dem Briefbogen bürgerlich-korrekt -
aber da drückt mich mal der linke, mal der rechte Schuh

Beim Finanzamt laufe ich gradlinig unter
MEDIENKÜNSTLER.
Doch etwas beliebiges, das vom Finanzamt niederkassiert wird,
mag dann nicht mehr ich sein.

Okay, Herr Mimose, improvisieren wir mal weiter.

Das Wort "MACHER" vermeide ich
seit den "Liedermachern" -
einer, der sich hinsetzt, und dann kommt die Botschaft.

Nein, so läuft das nicht.
Da sind Pausen, Reisen, Donnerwetter, aufreißende Himmel.
Da kann nicht geradeaus "gemacht" werden.

Also ich bin gerne
Photograph, Musiker, Komponist.
Aber ungern Filmemacher. Wegen der Macherei.
Und die Bezeichnung "Kunstmacher"
kommt mir nicht ins Haus.

Okay. Abschalten. Dahintreiben...
zwei Jahre lang...
Dann lese ich diesen Text wieder,

und ganz von selbst wächst aus dem Beruf des Disc-Jockeys
ein Berufsvorschlag: Ich bin
ein Medien-Jockey.
Der M.J. - die Fortsetzung des D.J.s.
Nett.

Wenn da bloß nicht das Gefühl
einer Leichtigkeit, eines Entertainments drin wäre -
Jockeys sind kleine dünne Männchen,
die die Gäule fremder Besitzer reiten.

Ich reite meine eigenen Gäule!
Ich fühle mich schwer und groß!

Gut. Laufen wir nochmals querbeet:
Ich bin ganz sicher Photograph.
Ich habe ein Tonstudio und Gerät zum Filmen.
Ich kann mich teilweise als Musiker bezeichnen.
Medien-Jockey ist gelegentlich
eine originelle Bezeichnung für mich.
Regisseur und Maler
bin ich kaum.

All diese Facetten tangieren
mein "Gesamtdingens"
jeweils peripher.
Nicht mehr.

Also doch Luftschlosser, Schlosslüfter?
Luftig belustigtes Schweigen.

Benni ist Vergolder. Michael Architekt.
Frieder hat einen Videoverleih.
Sigi ist Übersetzerin.

Doch wer bin ich?
Ein Filmvergolder.
Ein Kunsterfinder,
ein Virtualist.
Ein Interaktiver,
ein Medienmaler.

Hm. KUNSTERFINDER und MEDIENMALER
gefallen mir.

Und Dir?
Interaktiver Virtualist?

Na, Du hast ja jetzt
das harmlose Dilemma durchlesen.
Du stehst am Ende des Ausweitens
und Filterns.

Da gibt es vielleicht keinen Beruf.
Aber du weißt jetzt
breit und weit
Bescheid.

Die Grafik "Gipfelstürmer" wurde von Chris heimlich auf den Heftrand während seiner Schulzeit gemalt