Chris   Mennel
KUNST

Verschmelzung
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Insgesamt ergibt meine "Medienkunst" ein Bild. Ein Gemälde sehe ich vor mir, mit schwarz und weiß, mit Symmetrie und Ausuferung. Unter Zuhilfenahme vieler Techniken habe ich ein mediales Wimmelbild geschaffen mit etwa fünf Gipfeln und einigen Zigeunerkarren. Ein mehrdimensionales Gefäß sehe ich vor mir - mit Zeitachse, Zuordnungssystem, Glanzlichtern, Werkstätten. Ein Bezirk, ein Dorf eher als eine Stadt, ist entstanden. Im Prinzip empfinde ich das Bild nun als „fertig“. Wie kam es zu diesem Konstrukt?

Gern bin ich zunächst Konsument gewesen und bleibe Konsument bei vielem. Mein Wählen „Das greifst du auf, das greifst du an, das wandelst du um, das regt dich zu folgendem noch nie Angetroffenem an“ fand dann aber gelegentlich schnell und spontan statt. Ich war und bin ein „Bauchwähler“, mit diesem Anspruch an die Kunst, sie müsse imstande sein, mich anzuspringen.

Als Künstler und Konsument sehe ich meine persönliche Lebensnotwendigkeit darin, mich immer wieder neu umschauen, immer wieder anders klarkommen müssen. Das ist keine locker-flockige Haltung, dahinter stecken einige Fußtritte. Nach etwa zwanzig Jahren Treten, Beißen und Weiterlaufen dann erreiche ich das Aufatmen, erreiche das Gefühl, auf einem geldlosen Künstlergipfel zu stehen: Überall habe ich gewohnt, wo ich je wohnen wollte. Ich habe Kunst satt getrieben.

Schauen wir uns nun die besondere Maltechnik meines Gesamtbildes als Künstler an: Alles lief geldlos. Nicht viel Geld opferte ich für Kunst und kaum Geld nahm ich ein für Kunst. Geld habe ich parallel zu meiner Kunst-Rundwanderung anderweitig verdient, auch bis zum Aufatmen: Diese Kohle reicht doch jetzt bis ins Grab. Bis hinaus zu meinen Museumsideen glänzt mein Gesamtgemälde derzeit durch Zeiteinsatz statt Geldeinsatz, durch Originalität statt Klotzertum: Die Baupläne sind nun erstellt bis zu den Möbeln, bevor ich überhaupt ein Grundstück erworben habe. Die Archive strahlen, meine Kunstpreise kichern, die Souvenirs quellen über: Genug gefunden und geschaffen habe ich. Soviel gehäuft, dass ich platzen kann... aber statt dessen in schöner Wendung alles platziert sehe hinein in ein Gesamtbild.

Beim Pflegen und Veredeln fühle ich mich angelangt. Auf dem persönlichen Kunstgipfel stehe ich. Die Strapazen meines Anstiegs geben dem Erreichten seinen Wert.

Ein „Dünnbrettbohrer“ bin ich beim Klettern als Künstler bisher geblieben. Daher auch "kichern" meine Preise: Nur punktuell und dann mit gutem Grund habe ich mich verausgabt. Sparsam und taktisch habe ich Pfade durchlaufen. Es war vieles weniger aufwändig, als es sich gibt. Und nur durch trickreich dünnes Bohren von Kunstbrettern gelangte ich zu diesem speziellen Gipfel, dass ich alles als Künstler ausübte, was ich ausüben wollte, plus etwa ein Drittel der Kunstwerke erst beim Wandern entstanden - Überraschungsprodukte, wie sie so wichtig und typisch sind.

Dieser Gipfel, auf dem ich mich stehen sehe bereits seit etwa 2009, und dort weiterhin die Luft und die Aussicht und das Künstlerdasein genieße auch aktuell 2012, befindet sich auf dem Bodensatz der Kultur. Ich rage kein bisschen hinauf zu den Presseprotzern oder schnaufe herum in der Welt der Ochsentouren als Künstler: Biedere mich nicht an, füge mich nicht ein, bettele nirgends, drücke keine Klinken, und habe zwanzig Jahre mein Ding doch sehr wohl durchgezogen und treibe es weiterhin voran.

„Draußen“ in der Welt des Künstlergedrängels Richtung Einzelausstellung, Buchveröffentlichung, Presseresonanz, Galerist, Kunstmesse, weltweitem Herumgereichtwerden, mit Blick auf weitere Preise da, wo ich meine, mit etwa fünf Preisen (bekam ich) hat man doch für ein Leben genug, mit Blick auf divahafte Existenz, mit genug Einnahmen aus dem Kunstverkauf - da draußen sehe ich nur wenige Glückskinder und viele zermatschte Seelen.

Ein Mahlwerk ist zugange. Es trennt die Geldverdiener von den Urhebern. Die Kunstverwalter, Verkäufer und Manager drehen ihren Kreis, und die Künstler sind gescheuchte Zulieferer. Auch Hofnarren sind sie. Politisch lächerlich sind viele. Ich sehe mich seitlich von der Armada moderner Künstler seit 1960, in meinen Prinzipien, meiner Strategie. Mit reflektiertem Nomaden-Pinsel gemalt, wurde mein Bild ein besonderes: Modern, aber statt Möchtegern eher marktfern.

Unter zwei Millionen Euro Investition mache ich nun nicht weiter. Geld muss da sein, um über das hinauszugelangen, was ich bis hier hin geldlos in die Welt setzte. Wenn das Geld ausbleibt - es wird von mir nicht durch Kunst verdienbar sein, sondern nur durch sonstige Wunder - strahle ich durchaus in bester Qualität auch jetzt bereits - nur eben mit einem Tausendstel der möglichen Quantität. Als Miniaturausgabe ist mein Bild nunmehr fertig.

1.4.2012 (nach der Performance "Flammkunst" im Rahmen meines Films "Die Feueroper")