Chris   Mennel
KUNST

Gipfel
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Gipfelstürmer im Alleingang

Ich bin dialogarm durchgelangt zu einer Position, die mich nach kurzem Checken eines gedanklichen oder künstlerischen Angebotes zumeist abwinken lässt: Das, was von außen an mich herangetragen wird, liegt zumeist unter dem Level, auf dem ich zum Thema bereits Beiträge erstellt habe.

„Dialogarm“ meint, dass ich selten mit Gesprächspartnern, kaum mit Geschäftspartnern und nur in kurzen Gemeinschaften mit Künstlerpartnern zusammentraf. An einer Handvoll Schnittstellen verfolgte mich da ein wenig - und das reicht schon - Pech in einem matt interessierten Umfeld. Also ich wäre über etwa vier mal mehr Dialog schon erfreut gewesen. Sehr überwiegend gab es aber auch in Deutschland während der vierzig Jahre von 1976 (früher Auftritt als Musiker auf einem Maifest) bis 2015 (Performances "Photonia", "Abendstimmung" und "Abschied"), in denen ich mich mit Musik, Texten, Buchangeboten, Bildangeboten, Filmen und gesprochenen Beiträgen meldete, keine Angebote für eine Gestalt wie mich, gesehen, genommen und gefördert zu werden. Genommen und gefördert wurde ich mehrfach da, wo ich ein Fremdthema gut abholte. Alle Gremien und Menschen, die publizierend mit meinen Angeboten hantierten, griffen aber recht konsequent an meinen Essenzen vorbei. Ich war vielfach Dienstleister und konnte in Zusammenarbeiten offiziell keine zentral eigenen Produktionen vertiefen und ausweiten (inoffiziell tat ich das durchaus :-).

Deutschland bot zwischen 1976 und 2016 kulturell mehr Chancen als die meisten Regionen der Welt. Insofern sehe ich gelegentlich Pech, aber überwiegend dann doch mein eigenes Auftreten als Ursache an, dass ich ohne viel öffentlichen Dialog unverschämt weit gelangte. Denn als weit gelangt erlebe ich mich, in der Vielfalt und Zahl der Ausstellungen und der veröffentlichten Beiträge. Nichts von meinen Veröffentlichungen jedoch "knallte". Nichts erzeugte eine öffentliche Resonanz, die mich nachhaltig zur Oberfläche öffentlicher Wahrnehmung schwimmen ließ. Nein, ich tauchte an mehreren Oberflächen auf, schnaufte kurz und versank wieder. Ein zunehmend umfangreiches, ein erfindungsstarkes U-Boot baute ich.

Es war nicht mein Wunsch und Plan, so torpedohaft durchs Künstlerleben zu schwimmen. Nun ist es so aber passiert. An jeder Stelle der Fahrt habe ich mit diesem Zustand hantiert: Dass mir kein Geld gegeben wird für meine Kunst, dass sie keine Beachtung erfährt durch Förderer, dass ich selbst sie nur in kleinen Räumen präsentiere. Meine Schriftstellerei, Bildende Kunst und Medienkunst erscheint mir in Qualität und Quantität derzeit als fertig. Ich manövrierte unter der Flagge des Underground-Künstlers.

Eigentlich ging das schnell. Ich habe wunderbar ökonomisch mich vorangeschossen, mich durchs Meer der möglichen Kunst bewegt. Die Schriftstellerei hatte es als tastende Nebenbei-Produktion gegeben, seit ich 15 war. Und Schreiben blieb eigentlich auch ein Nebenbei. Nur einmal, weil ich es wissen wollte, habe ich einen Roman auf die Beine gestellt. Musiker war ich privat ab 13... das kletterte bis zu erheblichen Live-Auftritten. "Bildender Künstler“ wurde ich dann erst nach mehrfachem Zerbrechen meiner Bands und beim Beginn eines „normalen“ Lebens als alleinerziehender Vater. Auslöser waren zwei Jahre als Fernsehmoderator ab 1991, mit künstlerischen Publikationen anschließend ab 1993. Ich meinte zu Beginn dieser Lebensphase, etwa zehn Jahre dabei zu bleiben. Ab 1996 knutscht mich allerdings die digitale Revolution und sagte: "Mach das mit, hier kommt das Geschenk deiner Generation!"
Und ich blieb Medienkünstler bis 2015.

Beim Ausüben von Medienkunst wurde ich wunderbar beschenkt. Es lohnte sich mehr, den einmal geworfenen Ball des Fusionierens und des Balancierens zwischen Film, Foto, Skulptur, Installation, Projektion, Theater, Schreiben und dann doch und wieder auch Malen weiter und höher zu werfen, als ich das 1993 hätte ermessen können.

Betrachte ich meinen Werdegang als Künstler von den technischen Möglichkeiten her, die mir beim geldarmen dialoglosen Voranschreiten gegeben wurden, so halte ich mich für den meistbeschenkten Künstler aller Zeiten. 1979 drehte ich 3-Minuten-Filmchen auf Super 8, und es gab fast nie eine Kopie des Werkes. 2015 drehe ich mit einer Full-HD-Kamera und speichere Produktionen und weltweite Informationen auf Terabyte-Festplatten.

Es war mir in der Bilanz locker möglich, ohne Dialog in den zentralen Bereichen eigener Kunst voranzuschreiten. Ich habe euch dann doch nicht mehr gebraucht, als es euch für mich gab, ihr letztendlich ausgebliebenen Verleger (ja, eine Handvoll hat mich zeitweise veröffentlicht), ihr ganz ausgebliebenen Musik-Labels, ihr bis auf Ausnahmen ablehnenden Galeristen. Es klappte auch so bis hier hin, bis zum 17.3.2015, an dem ich sage: Das, was von außen an mich herangetragen wird, liegt zumeist unter dem Level, auf dem ich zum Thema bereits Beiträge erstellt habe.